Hochstand Naturvertrag
Kuratorin Christiane Meyer-Stoll und Ko-Kurator Hans-Jörg Rheinberger, Liechtensteiner Wissenschaftshistoriker
Serres’ Der Naturvertrag ist der eingebaute ‹Hochstand›, die Empore oberhalb von Forest Law, gewidmet. Auf diesem Hochstand findet sich zu allererst eine Originalausgabe von Jean-Jacques Rousseaus Du Contract social, 1762 in Amsterdam erschienen. In Paris wurde dieses unscheinbare Buch unmittelbar verboten, es brachte den Erlass eines Haftbefehls und die Flucht Rousseaus mit sich. Vom Gesellschaftsvertrag gehört zu den Büchern, die eine enorme Sprengkraft besassen und die Welt nachhaltig veränderten, fanden die Ideen doch Eingang in die Französische Revolution und bilden eine wesentliche Grundlage demokratischen Verständnisses. Zurück in der Schweiz entdeckte Rousseau sein botanisches Interesse. Davon zeugen die Botanischen Lehrbriefe, die wiederum als Wegbereiter populärwissenschaftlicher Literatur zur Botanik gelten. «Ich verdanke mein Leben den Pflanzen, nicht wirklich, aber sie haben es mir ermöglicht, im Strom des Lebens weiter zu schwimmen und nicht unterzugehen von Bitterkeit beschwert» (Jean-Jacques Rousseau).
1990 erscheint Michel Serres’ Der Naturvertrag in Referenz zum Gesellschaftsvertrag. «Aber es geht um mehr: um die Notwendigkeit, den ursprünglichen Gesellschaftsvertrag zu revidieren und neu zu unterzeichnen. Der Gesellschaftsvertrag vereint uns im Guten und im Bösen, entlang einer ersten Diagonale, ohne die Welt; nun, da wir wissen, wie wir uns angesichts der Gefahr vereinen müssen, ist es entlang der anderen Diagonale nötig, einen neuen Pakt mit der Welt zu unterzeichnen: den Naturvertrag.» Zentrales Anliegen des Philosophen Michel Serres ist ein Umdenken des Menschen im Verhältnis zur Natur, eine Abwendung von der hemmungslosen Ausbeutung der Erde, daher plädiert er für eine Rechtssubjektivität der Natur. «Der Parasit nimmt alles und gibt nichts; der Gastgeber gibt alles und bekommt nichts. […] Dagegen beruht das Recht der Symbiose auf Gegenseitigkeit: So viel wie die Natur dem Menschen gibt, so viel muss er ihr, die zum Rechtssubjekt geworden ist, zurückgeben.» Serres 1990, Die Originalausgabe Le Contrat natural erschien 1990 bei François Bourin, Paris, S. 33
Die Timeline ausgewählter liechtensteinischer Rechtsvorschriften zu Umwelt und Pflanzen, die in Kooperation mit dem Liechtenstein-Institut entstanden ist, veranschaulicht anhand von Auszügen aus Gesetzestexten mit Kommentaren von Cyrus Beck die Rechtsituation der Natur in der Liechtensteiner Verfassung. Bereits 1993 verfasste der Vaduzer Jurist Peter Goop ein Plädoyer für die Rechtssubjektivität der Natur. Ein Beitrag zur Abkehr vom anthropozentrischen Denken und Handeln.
Die Rest-Münz-Aktion – Sammeln wir unser Ideen-Kapital war ein Projekt der Künstlerin Susanne Bosch, das im Rahmen der Ausstellung Who Pays? des Kunstmuseum Liechtenstein realisiert wurde. Zwischen Anfang März und Ende Mai 2017 tourten zwei mobile Sammelstellen von Gemeinde zu Gemeinde durch ganz Liechtenstein. In diese konnte man nicht nur Restmünz einwerfen, sondern insbesondere auch Ideen und Wünsche für die Zukunft und das Gemeinwohl in Liechtenstein in ihnen hinterlassen. Die zugrundeliegende Idee war, dass das gesammelte Restmünz zur Umsetzung noch nicht realisierter Ideen und Wünsche eingesetzt bzw. ungenutztes geistiges Kapital durch ebenso ungenutztes ökonomisches Kapital nutzbar gemacht werden kann. Der Wunsch 4 besagt: Schutz der Landschaft und der Landwirtschaft soll Verfassungsrang haben. Biologische Ernährung soll gesetzlich Vorrang haben.